Das Monster, die Mitte und die Medien (Seite 1)
Brüssel hat nun das norwegische Doppelattentat zum Anlaß genommen, einen europaweiten „Kampf gegen Rechts“ auszurufen. Das inkludiert ein Gipfeltreffen der Innenminister im September mit dem Schwerpunkt „Fremdenhass und Extremismus“, verstärkte Zusammenarbeit mit Europol, um „fremdenfeindliche Gruppen“ besser erfassen zu können, und die Gründung eines 4 Millionen Euro teuren „Anti-Radikalisierungsnetzwerkes“, das einem „Erfahrungsaustausch von Wissenschaftlern, Sozialarbeitern, Religionsführern und der Polizei im Kampf gegen Radikalisierung“ dienen soll. Kurz, die EU macht ihrem Spitznamen als „EUdSSR“ mal wieder alle Ehre.
In der englischen Version des Spiegel-Artikels findet sich in der Titelspalte der Zusatz, daß „zwei rechte Führer einen Teil der Ideologie hinter dem Massaker verteidigt“ hätten. Ein Parlamentarier der Lega Nord ließ verlauten: „Viele der Ideen Breiviks sind richtig, manche sind sogar ausgezeichnet,“ während ein Mitglied der English Defense League (EDL) vor „wachsender Frustration“ warnte:
Es ist eine tickende Zeitbombe. Wenn Frustration und Zorn keine Plattform bekommen, also ein demokratisches Ventil für Emotionen, dann wird das Monster wie diesen Wahnsinnigen hervorbringen.
Ein Satz, der in der deutschen Fassung, aus welchen Gründen auch immer, unterschlagen wird, der aber ein Problem anspricht, das sich mit großer Wahrscheinlichkeit verschärfen wird, wenn nun europaweit die politisch korrekten Zügel noch fester angezogen werden. Kluge Beobachter in Deutschland ahnen dies bereits und haben sich dagegen ausgesprochen. Die norwegische Druckwelle ist hierzulande bisher auf stärkeren Widerstand gestossen, als viele, auch ich, nach dem ersten Schock erwartet haben.
Das hat vermutlich auch mit dem Overkill an schwarzen Petern zu tun, die sofort fleißig verteilt wurden. Die Angriffswucht hat sich verläppert und verteilt, weil zuviele angeblich Mitverantwortliche auf einmal angegriffen wurden. Inzwischen wurde das ganze in Frage kommende Spektrum, von den Sandkastenlizenzträgern und „Achse des Guten“-Affinen wie Broder, Sarrazin, Döpfner über „Politically Incorrect“ und die englischsprachige Counterjihad-Szene, die „neue Rechte“, die „christlichen Fundamentalisten“, die „Rechtspopulisten“ bis zur NPD nach der Reihe abgewatscht, diffamiert und verdächtigt. Dieselbe Runde ging durch ganz Europa, wo von der FPÖ bis zum Front National die Sündenböcke markiert wurden. Sogar die amerikanische Tea Party wurde stellenweise in den Topf geworfen.
Aber Watschen, Beschimpfungen und Verdächtigungen reichen nicht mehr aus, um die Problemkomplexe aus der Welt zu schaffen, die einen Anders Breivik hervorgebracht haben. Wer diese anders zu betrachten, zu beschreiben und einzuschätzen beliebt, als die multikulturalistisch-liberale Orthodoxie vorschreibt, wird in Zukunft damit rechnen müssen, daß er sich der Gefahr der Kriminalisierung seiner Meinung und damit seiner ganzen Person aussetzt.
An vorderster Front dieser Art Hetze steht natürlich der Spiegel, der den Attentäter von Oslo auf der Titelseite seiner aktuellen Ausgabe im dämonischen „Hannibal Lector“-Look präsentiert, und die Marschrichtung unverblümt markiert: „Die Spur des Bösen“, heißt es da, und: „Europas rechte Populisten und der Kreuzug des Anders B. Breivik“. Es soll also nach dem Muster der „Nazikeule“ suggeriert werden, daß nicht nur Massenmord „böse“ ist (was kein normaler Mensch abstreiten wird), sondern „Rechtspopulismus“ an sich, und daß das eine mit dem anderen in einem untergründigen Zusammenhang stehe.
Das ist eine altbewährte Methode der Linken: es wird gar nicht erst darüber diskutiert, ob der „Rechte“ vielleicht in einer bestimmten Sache recht haben könnte, es reicht, ihm von vornherein einen ethischen Defekt unterzuschieben und damit die Diskussion zu beenden, denn mit bösen Menschen redet man nicht. Einen „ethischen Defekt“ hat Breivik nun offenbar in ganz erheblichem Maße, womit er sich als vorzüglicher und willkommener Hexenhammer in den Händen der Linken eignet.
Gezählte 17 Autoren des Spiegels, die sich vornahmen, über die „Brandstifter“ hinter Breivik aufzuklären, waren nun nicht imstande, den, Zitat, „Kontext der Weltanschauung“ des Täters mehr als nur oberflächlich wiederzugeben. Man möchte zwar die sogenannten „Rechtspopulisten“, Blogger und Islamkritiker nach Kräften anschwärzen, möchte aber nicht allzu genau wissen, allzu genau erklären, wie sie argumentieren und wie sie zu ihren Positionen gekommen sind.
Über Breiviks Gedankenwelt heißt es, sie sei „wirr“, er schreibe „seltsames Zeug“, was über weite Strecken seines „Manifests“ durchaus nicht zutrifft, und würde der Inhalt gründlicher bekannt werden, würde es wohl sehr viele Leute geben, denen manche Analysen und Sentiments darin alles andere als „wirr“ vorkämen. (Ähnlich ging es nebenbei ja auch vielen Lesern des „Unabomber“-Manifests oder des im Hinblick auf Gewalt ebenfalls nicht zimperlichen Pamphlets „Der kommende Aufstand“, der letzten Herbst so manches bürgerliche Feuilletonistenherz warm gehalten hat.)
Was sich hier zuspitzt, ist ein großes „Ich sehe etwas, was Du nicht siehst“-Spielchen, dessen Fronten sich scharf teilen, wenn sie auch gewisse Grau- und Übergangszonen haben. Der Spiegel vertritt hier in Reinform den einen Pol der Debatte: die Furcht vor einer langfristigen demographischen, politischen, kulturellen Machtübernahme des Islam in Europa sei eine pure Wahnvorstellung, der Widerstand gegen Multikulturalisierung und Heterogenisierung bloßes irrationales Ressentiment, das mit allerlei Brandeisen gebrankmarkt wird wie „Rassismus“ und „Fremdenfeindlichkeit“.
Wer von einem kommenden „Kulturkampf“ und „Bürgerkrieg“ spricht, wünscht ihn sich wohl insgeheim herbei, aus dunklen, perversen Antrieben heraus, vielleicht ähnlich jenen des Massenmörders. Wer im Multikulturalismus eine Gefahr erblickt, muß menschlich verbiestert, böse, „intolerant“, geistig verwirrt oder sonstwie defekt sein. Das einzige, was der „bunten“ und „viefältigen“ und „toleranten“ Utopie des Multikulturalismus entgegensteht, seien also all diese grundlos bösen, verdächtigen und unaufgeklärten Menschen mit ihren rückständigen Wahnvorstellungen, die alles kaputt machen müssen.
Dem gegenüber steht die Sicht der Gegner des Multikulturalismus, die in der Regel alles andere wünschen als einen Bürgerkrieg, ja eine tiefsitzende Angst davor haben, und die wachsende innere Destabilisierung und Defragmentierung der Gesellschaft durch das laufende utopische Experiment mit größter Sorge beobachten. Die „Brandstifter“, Pulverfaßstopfer und Luntenleger sind in ihren Augen die Multikulturalisten selbst, die in fahrlässiger Weise an den Fundamenten der europäischen Nationalstaaten sägen.
Sie berufen sich dabei nicht nur auf die Lehren der Geschichte, sondern auf zunehmende Symptome der Rebarbarisierung (Ausländergewalt, ethnische Polarisierung, Parallellgesellschaften, dschihadistische Netzwerke), deren Beschreibung in allen westlichen Ländern durch erhebliche öffentliche Tabus behindert wird. Die Kritiker des Multikulturalismus senden den Vorwurf der Wahnvorstellung und des abstrusen Denkens an jene zurück, die blindlings und trotz aller Gegenevidenz an einer Utopie festhalten, die die ganze Gesellschaft aufs Spiel setzt.
Weil die Linke die Rechnung ohne den Wirt macht, ist es ihre Politik, die nur noch mehr Haß, Spannungen, Polarisierungen und Fragmentierung fördert. Weil sie nicht ertragen kann, daß die Menschen in Wirklichkeit nicht so funktionieren, wie sie es gerne hätte, braucht sie einen Sündenbock, einen Dämon, ohne den alle Rechnungen aufgehen würden: die Rechte.
Es kommt also alles darauf an, ob man die Gefahr der Islamisierung und die Möglichkeit des ethnischen Bürgerkriegs für real hält, oder nicht. Daraus leitet sich auch ab, welche Seite man nun für den „Brandstifter“ hält.
Wie schwer auch immer man die Gefahren der Masseneinwanderung und des Anwachsens des Islams intra muros nun einschätzen mag – die oben skizzierte, durch den Spiegel wohl am markantesten vertretene Position, wird sich auf die Dauer unmöglich halten lassen.
Ihr wird nun in ihrem Flaggschiff selbst gekontert, wenn deren Quoten-Konservativer Jan Fleischhauer sich zumindest für die akzeptierteren Ränder des islamkritischen Diskurses stark macht und vor genau jenen Tendenzen warnt, die seine eigene Zeitschrift nach Kräften fördert, indem er vor der „Sympathisantenjagd“ à la Anno RAF warnt:
Stellen wir uns für einen Moment vor, der Attentäter hätte das Jugendlager der rechten Fortschrittspartei heimgesucht und im Netz eine Anklage gegen den Atomstaat hinterlassen. Würden wir nun Claudia Roth zur geistigen Brandstifterin erklären und den Atomausstieg in Frage stellen? Wohl kaum. Wir würden das Naheliegende tun und den Attentäter als da sehen, was er ist: ein verwirrter Geist, der sich eine Wahnwelt zusammengezimmert hat, die am Ende zum Massenmord führt.
Das angeführte Beispiel ist übrigens nicht so weit hergeholt, wie es erscheinen mag. Auch für den Öko-Terrorismus gibt es ein Vorbild in der jüngeren Terrorgeschichte. Der Una-Bomber, aus dessen Manifest sich Breivik für seine eigene Proklamation ausführlich bediente, war ein fanatischer Naturschützer, der den technologischen Fortschritt für das Übel in der Welt verantwortlich machte. Der Terrorist führt jeden Gedanken an sein ultimatives Ende. Das gilt theoretisch für alles, was einen ideologischen Kern besitzt: die Islamkritik, den Tierschutz oder den Kampf gegen genveränderten Mais.
Angeblich geht es jetzt darum, Erklärungen zu finden für die Schreckenstat, Verständnis für die Beweggründe, aber das ist Mummenschanz. Tatsächlich zielen die Verdächtigungen darauf ab, die Diskursräume zu verengen, Publikationsgehege abzustecken. Wer in die geistige Nachbarschaft zu einem Massenmörder gerät, soll sich besser vorsehen, was er künftig von sich gibt.
So etwas kommt von so etwas, lautet kurz gefasst die Botschaft, die aus den Kommentaren spricht. Gegen diese Beweisführung hilft kein genaues Lesen mehr, da kann man nur noch den Kopf einziehen.
Letzteres ist richtig, aber Fleischhauer macht es sich zu einfach, wenn er, ähnlich wie das „Unabomber“-Opfer David Gelernter in der FAZ die Sache über die Schiene „weder rechts, noch links, sondern nur böse“ abhaken zu können glaubt. Der Fall liegt wesentlich komplizierter, aber angesichts der Spielregeln der öffentlichen Debatten müssen die Konservativen wohl ihrerseits zu Vereinfachungen greifen, um sich den Rücken frei zu halten.
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