Casa Pound (4)

Im Hauptquartier selbst gipfelt die Ikonenpflege in einer kommentierten Sammlung seltener Fotos aus dem Leben Ezra Pounds. Der amerikanische Avantgardist gehörte zu jenen bedeutenden Köpfen, die Partei für den Faschismus ergriffen. Pound hatte sich 1924 in Rapallo niedergelassen und hielt während des Zweiten Weltkriegs antisemitisch gefärbte Propagandareden wider die Alliierten, die er als Handlanger des »Leihkapitals « betrachtete. Nach dem Krieg wurde er als Hochverräter angeklagt und einer erniedrigenden Behandlung unterworfen, die in einer jahrelangen Internierung in eine psychiatrische Anstalt gipfelte.
Für den überwiegenden Anteil der Szeneanhänger dürfte es allerdings ausreichen zu wissen, daß Pound der »Dichter gegen den Wucher« und Verehrer des Duce war. Die komplizierte Esoterik der »Cantos« ist selbst unter literarisch gebildeten Lesern notorisch, und gleiches gilt für den von der Szene verkulteten Julius Evola. Die entscheidenderen weltanschaulichen Quellen dürften eher die Texte von Zetazeroalfa und anderen »Musica Alternativa«-Bands sein. Das Publikum des mehrtägigen Festes zur Fünfjahres-Feier der Casa Pound in der »Area 19« im Juni 2009 war zu etwa 80 Prozent von jenem proletarischen Skinhead- und Hooligan-Typus dominiert, den man gemeinhin mit der extremen Rechten assoziiert. Provokante Tätowierungen und ultrakurzer Haarschnitt sind da ebenso ein Muß wie eine recht beschränkte Auswahl an T-Shirt-Motiven. Das scheint für die Szene insgesamt repräsentativ zu sein, wenn auch vor allem über die Studentenorganisation »Blocco Studentesco« ein beträchtlicher Anteil an Mittelständischen hinzukommt. Hier wird freilich an einen weiteren Strang des historischen Faschismus angeknüpft: an die Betonung des Physischen, des Vitalismus, des Männerbundes, des Agonalen, aber eben auch der Gewalt. Als Ventil wird dafür etwa das Ritual des »Cinghiamattanza« (ungefähr: »Gürtelausflippen«) genutzt, in dem sich frei nach DAF »alle gegen alle« mit nacktem Oberkörper in eine wüste Massenprügelei mit dem Gürtelriemen (die Schnalle ist verboten) stürzen.
Auch die beliebte, zum Teil mit Rockerromantik (»liberi, belli, ribelli« – »frei, schön, rebellisch«) legierte Squadristenikonographie mit ihren Totenköpfen, schwarzen Fahnen, Dolchen und Rosen untermauert das zwiespältige »Bad Guys«-Image, das vor allem für junge Männer und Frauen ebenso anziehend ist, wie es auf dem Weg zu einem Anschluß an den Mainstream hinderlich ist – denn für die Linke ist es damit natürlich ein leichtes, die Szene pauschal als Ansammlung von Schlägern hinzustellen. Trotz des im Vergleich zu Deutschland beachtlichen Spielraums, den die Rechten und sogar die immerhin offiziell verbotenen Faschisten in Italien beanspruchen können, hat auch dort die »Political Correctness« die Oberhand. Der Fotoband OltreNero der antifaschistischen Journalisten Allessandro Cosmelli und Marco Mathieu, der zunächst in enger Kollaboration mit Gianluca Iannone entstand, ließ die Szene in stylischen Schwarzweißfotos ebenso verführerisch wie abgründig-abstoßend schillern und betonte deren Subkultur-Charakter sowie die Aura der Gewalt. Iannone empfand diese Darstellung als verfälschend und einseitig und überwarf sich in der Folge mit den Autoren.

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