Clint Eastwood und der Abtritt des weissen Mannes (2)

Vor allem aber sind die Straßen beherrscht von multikultureller Gewalt: Gangs von Latinos, Asiaten und Schwarzen machen sich die Vorherrschaft streitig. Die Weißen sind entweder wie Walts Familie fortgezogen oder aber unfähig, sich zu wehren. In einer Schlüsselszene wird das in Kowalskis Nachbarschaft lebende Hmong-Mädchen in Begleitung eines jungen Weißen von einer schwarzen Gang bedroht. Der Weiße trägt ein Hip-Hopper-Outfit, das den Habitus der Schwarzen zu imitieren sucht. Seine plumpen Versuche, sich beim Anführer der Gang im Ghettoslang anzubiedern („Alles cool, Bruder!“) gehen nach hinten los.

Ehe die Situation – vor allem für das Mädchen – richtig ungemütlich wird, schreitet Eastwood ein und demonstriert wie schon in „Dirty Harry“ mit gezücktem Revolver, daß Gewalt nur mit Gegengewalt bekämpft werden kann. Zu dem verängstigten weißen Jungen sagt er voller Verachtung: „Schnauze, du Schwuchtel! Willst du hier den Oberbimbo geben? Die wollen nicht deine Brüder sein, und das kann man ihnen nicht verübeln.“ Hier denkt man als deutscher Zuschauer unweigerlich an den von einem türkischen Dealer gemobbten Jungen aus dem berüchtigten Fernsehfilm „Wut“. Die schwarze Gang indessen guckt dem pistolenschwingenden Alten mit einer Mischung aus Angst und aufrichtigem Respekt nach – Respekt, den sie ihm, nicht aber dem feigen „Wigger“ entgegenbringen können.

Im Laufe der Handlung wird Kowalski schließlich eher widerwillig zum Schutzpatron der benachbarten Hmong-Familie, insbesondere des schüchternen jungen Thao, der sich der Gang seines Cousins nicht anschließen will, und dem es an einem starken männlichen Vorbild fehlt. Dem bringt Kowalski schließlich bei, wie man Waffen und Werkzeuge benutzt, Mädchen anspricht und rassistische Witze erzählt.

Im Gegensatz zu Walts Familie werden bei den Hmong von nebenan der Zusammenhalt und die konservative Tradition großgeschrieben, so daß er irgendwann irritiert erkennen muß: „Ich habe mit diesen Schlitzaugen mehr gemeinsam als mit meiner eigenen verdammten verwöhnten Familie.“ Dabei profitieren die Hmong wiederum von der Lockerung allzu enger Traditionen durch den amerikanischen Einfluß. „Ich wünschte, mein Vater wäre mehr so gewesen wie Sie. Er war immer so streng zu uns, so traditionell, voll von der alten Schule“, sagt Thaos Schwester zu Kowalski. „Ich bin auch von der alten Schule!“ – „Ja… aber Sie sind Amerikaner.“

Wie so oft tritt Eastwood am Ende des Films gegen eine Überzahl von Schurken in Form der Gang des bösen Cousins an, doch diesmal um sich selbst zu opfern, anstelle zu töten. Sein Hab und Gut erbt die katholische Kirche, seinen symbolbeladenen „Gran Torino“ Baujahr 1972 der junge Hmong, während die eigene Familie leer ausgeht. Die Söhne des patriarchalen weißen Mannes haben sich freiwillig von ihm losgesagt, womit sie sich allerdings auch selbst entwaffnet und dem Untergang preisgegeben haben. Denn beerbt werden sie nun von verdienten Adoptivsöhnen aus anderen Völkern.

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