Geschlechtslos in die Zukunft?
Von der Polarität der Geschlechter zu fließenden Identitäten
von Konstantin Mascher
Was eine Frau, ein Mann ist, habe nichts mit Wesensmerkmalen oder -unterschieden zu tun, sondern sei gesellschaftlich konstruiert, so die neuen Gender-Theorien. Um insbesondere die Frau aus der Zwangsjacke einer willkürlichen Festlegung zu befreien, müsse jede Geschlechterzuschreibung „dekonstruiert“, d.h. hinterfragt werden. Was gestern noch Theorie war, ist heute politisches Programm und wird europaweit und auch in unserem Staat längst gefördert und als „Gender Mainstreaming“ in die Praxis umgesetzt.
Haben Sie schon von somatischen Fundamentalisten gehört?
Das Label „Fundamentalismus“ gilt spätestens seit den von radikal-islamistischen Kreisen verübten Terroranschlägen am 11. September 2001 als Synonym für rückständig, gewalttätig und totalitär. Damit werden aber in der öffentlichen Diskussion inzwischen auch biblische Positionen zu Fragen der Gesellschaftsethik versehen. Wer heute – von seinem christlichen Glauben ausgehend – annimmt, der Mensch sei von Gott als Mann oder als Frau erschaffen, steht mittlerweile in Gefahr, mit dem Etikett „Fundamentalist“ versehen zu werden. Denn das macht den somatischen (somatisch: den Körper betreffend) Fundamentalisten aus: er behauptet weiterhin, es gäbe nur Männer und Frauen und nicht etwa eine Vielzahl von Geschlechtern. Er hat noch nicht begriffen, dass alles „gender“ ist.
Der englische Begriff „gender“ bezeichnet das soziale Geschlecht im Gegensatz zu „sex“ als das biologische Geschlecht, im weitesten Sinne die Geschlechterrolle als Ausdruck der selbstempfundenen Identität. Das Gender will nun sein Recht bekommen und in Gesetzen, Regelungen und der kulturellen Wertebildung berücksichtigt werden. Was vor einigen Jahrzehnten in den Köpfen einzelner kursierte, ist inzwischen politisches Programm.
Wider den Unterschied
Die Anfänge dieser Entwicklung sind vor allem in der Frauenbewegung zu verorten. Während der politische Feminismus auf Programme gegen die faktische Benachteiligung der Frau in der Gesellschaft zielte, hat sich die feministische Wissenschaftskritik mit den Gründen für die ungleiche Machtverteilung auseinandergesetzt. Die Wurzeln der Abwertung des Weiblichen und die Diskriminierung der Frau seien bereits in den Wurzeln unserer Kultur angelegt. Im Sinne marxistischer Gesellschaftstheorien vertraten und vertreten sie die Meinung, dass jegliche Unterscheidung der Geschlechter ein ungleiches Machtverhältnis hervorbringe und zu Unterdrückung führe. Der Ungleichbehandlung wäre also ein Ende gesetzt, wenn die Kriterien für die Unterscheidung zwischen Mann und Frau generell entfielen.
Diese Theorien haben sich in intellektuellen und politischen Kreisen inzwischen durchsetzen können – nicht zuletzt, weil sie der ebenfalls akademisch etablierten Homo- und Transsexualitäts-Forschung geeignete Anknüpfungspunkte bieten. Das Spektrum der Gender-Theorien ist breit gefächert, in einem Punkt stimmen aber inzwischen viele überein: Es gibt keinen elementaren bzw. biologisch determinierten Unterschied zwischen Mann und Frau. Alle feststellbaren Differenzen sind kulturelle Konstrukte, alle als männlich oder als weiblich geltende Merkmale oder gar Eigenschaften sind willkürliche Festlegungen.
Strategie der Umdeutung und Verunsicherung
Eine Zuspitzung erfuhr die Gender-Debatte 1990 nach dem Erscheinen des Buches Gender Trouble (dt.: Das Unbehagen der Geschlechter) von Judith Butler, Professorin für Rhetorik und Literaturwissenschaft in den USA. Sie geht darin der Frage nach, „wie man am besten die Geschlechter-Kategorien stören kann, die die Geschlechter-Hierarchie und die Zwangsheterosexualität stützen“. Ihre Antwort: die Sprache neu besetzen. Denn, so Butler, unser Zugang zur Materie, so auch zum anatomischen Körper, liege in der Sprache. Das bedeute im Umkehrschluss: durch die Sprache formen wir die Wirklichkeit. Politisches Ziel muss also sein, Sprache und Begriffe neu zu besetzen und damit den Zugang zur Wirklichkeit neu zu bestimmen. Neben der sprachlichen Überformung plädiert Butler für eine aktive Ver-Uneindeutigung der bestehenden Kategorien von Mann und Frau. Durch Parodie und Travestie (Verkleidung) werde, so schreibt sie, die Brüchigkeit der Zuordnungsmuster am deutlichsten entlarvt. Die offensichtliche Unnatürlichkeit der Maskerade hinterfrage die „Natürlichkeit“ jeglicher „Geschlechtsidentität“. Nach diesen Maßstäben wird die medienträchtige karnevalistische „Gay Pride“ oder „Gay Parade“ zur politisch wirksamsten Demonstration einer sich neu formierenden „fließenden Identität“. Den zwingenden Beweis, dass durch die Parodie einer Idee oder einer Behauptung deren Gültigkeit bereits widerlegt sei, bleibt uns Butler jedoch schuldig. Veruneindeutigung von männlichen und weiblichen Eigenschaften liefert an sich keinen Beleg, dass es die Wesensmerkmale „männlich“ oder „weiblich“ nicht gibt.
Die im Elfenbeinturm der Universitäten erarbeiteten Gender-Theorien sind nur bedingt an der gesellschaftlichen Realität zu messen, die sie beschreiben wollen. Im weltweiten Horizont der Frauenrechtsbewegung ist die massive Unterdrückung von Millionen von Frauen keine Frage der spielerischen Selbstdarstellung von „Gender“, sondern bitterer Ernst. Umso verblüffender ist es, dass die an westlichen Universitäten fabrizierten „Gender“-Theorien, die die Kategorie „Frau“ in Frage stellen, auf den internationalen Foren zur Wahrung der Menschenrechte und den Konferenzen zur Gleichstellung der Frau immer tonangebender werden. Auch hier bewahrheitet sich die These des spanischen Philosophen José Ortega y Gasset (1883 – 1955): „Von dem, was man heute an den Universitäten denkt, hängt ab, was morgen auf den Plätzen und Straßen gelebt wird.“
Gender Mainstreaming in Deutschland
Die Definition des Europarates von 1998 lautete bereits: „Gender mainstreaming besteht in der (Re)organisation, Verbesserung und Evaluierung politischer Prozesse mit dem Ziel, eine geschlechterbezogene Sichtweise in allen pol. Konzepten auf allen Ebenen und in allen Phasen durch alle an pol. Entscheidungen beteiligten Akteure und Akteurinnen einzubeziehen.“ In einem Kabinettsbeschluss der Bundesregierung vom 23.06.1999 wurde die Gleichstellung von Mann und Frau als durchgängiges Leitprinzip festgelegt, dem mittels einer Strategie der sogenannten „Gender Mainstreaming“ zu folgen sei. Zur Erarbeitung eines entsprechenden Programms und zur Beratung der öffentlichen Verwaltung wird das GenderkompetenzZentrum – eine Forschungseinrichtung der Berliner Humboldt-Universität – herangezogen, dessen Arbeit das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziert. Wer immer sich für die Inhalte der Arbeit dieses Zentrums interessiert, kann sich auf der Website des GenderkompetenzZentrums1 kundig machen. Offensichtlich liegen ihr zentrale Gedanken der Gender-Theorien zugrunde.
Gleichstellung der Vielfalt
Beim oberflächlichen Lesen gewinnt man den Eindruck, es ginge im Wesentlichen um die Gleichstellung von Mann und Frau in Beruf und Gesellschaft. Wer könnte da dagegen sein?
Doch beim genaueren Hinsehen zeigt sich, dass es vielmehr um die Gleichstellung der Vielfalt geht. Gender, als variables soziales Geschlecht, meint also „Geschlecht in der Vielfalt seiner sozialen Ausprägungen. Gender ist folglich auch geprägt von Herkunft, Glaube, Alter, Befähigungen und Behinderungen, sexueller Orientierung und anderen Strukturmerkmalen“. Inhalte, Themen und Phänomene, die früher in der Öffentlichkeit eine untergeordnete Rolle spielten, sollen nun das alltägliche Handeln und Entscheiden mitbestimmen.
Bald wird die „Gleichheit der Vielfalt“ Bestandteil von schulischem Lehrmaterial. Schüler werden mit der „Tatsache“ konfrontiert, dass Menschen heterosexuell, schwul, lesbisch, bisexuell oder transsexuell sind und dazu ermutigt, sich einer dieser Kategorien zuzuordnen. Keine der Lebensweisen darf als Abweichung dargestellt werden. So treten z.B. ab dem Schuljahr 2006/2007 in Berlin neue Rahmenlehrpläne für die Jahrgangsstufe 7-10 in Kraft. Alle diese Lebensformen werden in den Fächern Bildende Kunst, Biologie, Fremdsprachen, Philosophie, Geschichte, Sozialkunde und Sport thematisiert. Die Folgen einer solchermaßen forcierten Verunsicherung sind in den USA inzwischen „messbar“: Bei einer Befragung von 34.706 männlichen Jugendlichen im Alter von 12-20 Jahren gaben 25,9% der 12jährigen an, unsicher über ihre sexuelle Orientierung zu sein, bei den 18jährigen jungen Männer waren es noch 5%. (Bei den Erwachsenen sind nach repräsentativen Untersuchungen 2,5% der Männer und 1,4% der Frauen homosexuell lebend.)2
Bewusste Veruneindeutigung
Unter der Definition von Gender des GenderkompetenzZentrums war am 10. August 2006 zu lesen: „Der Mensch wird mit biologischen Merkmalen geboren, die entlang eines Spektrums zwischen männlichen und weiblichen Merkmalen angesiedelt sind.“ (alle Kursiva von K.M.) Hinter dieser Formulierung steht die Überzeugung, dass die Einteilung der Menschen in entweder männlich oder weiblich anhand diverser biologischer Merkmale nicht haltbar sei. Weil schon der Untersuchungsgegenstand „Geschlecht“ von der Naturwissenschaft mitkonstruiert sei, könne es ihn objektiverweise gar nicht geben.
Dieses Argument ist nicht nur ideologisch, sondern auch unlogisch. Die Tatsache, dass jede Wissenschaft ihre eigenen Untersuchungsobjekte erst formulieren muss, bevor sie sie untersucht, heißt nicht, dass ihre Kategorien jeglicher objektiver Grundlage entbehren. Der ideologische Kurzschluss scheint die Theoretiker des „Polygender“ nicht daran zu hindern, sich just auf die „Ergebnisse“ der soeben in Frage gestellten Wissenschaft zu berufen, um zu beweisen, dass es keine eindeutige männliche oder weibliche Geschlechtlichkeit gibt. Phänomene biologischer Androgynität, bei denen in einem Menschen körperliche Ausprägungen der Merkmale beider Geschlechter vorhanden sind, werden als Beleg für diese Annahme herangezogen. Man bezeichnet Menschen mit solchen uneindeutigen Merkmalen heute als „intersexuell“. Experten gehen davon aus, dass höchstens 2 bis 3 von 1000 Kindern davon betroffen sind. Um das Konzept vom „Spektrum zwischen“ auch zahlenmäßig plausibel zu machen, werden oft auch „transsexuelle“ Menschen, die der Überzeugung sind, im falschen Körper geboren zu sein und danach streben, dem anderen Geschlecht anzugehören, als eigenes Geschlecht gezählt, ebenso wie Menschen mit homosexueller Orientierung.
Geschlecht als Konstruktion
Folgerichtig betont das GenderkompetenzZentrum: „Nach der Geburt werden Menschen auf dieser Grundlage in zwei Kategorien eingeteilt: Mädchen oder Jungen. Diese auf gewisse Weise willkürliche Festlegung des ‚biologischen Geschlechts’ (englisch: ‚sex’) ist in den meisten Gesellschaften auch eine’ „Weichenstellung’ für soziales Verhalten“. In einem „komplexen Prozess … wird der Mensch entweder zum Mädchen bzw. Frau oder Jungen bzw. Mann ‚gemacht’ – das Geschlecht wird ‚sozial konstruiert’“. Dieser „willkürlichen Festlegung“ hat die Gender-Bewegung den Kampf angesagt, auch mit Mitteln des Gender-Mainstreaming.
„Zwangsheterosexualität“ erzeugt Opfer
Unsere Gesellschaft, die sich – wie der französische Kulturanthropologe René Girard3 konstatiert – mehr als jede andere zuvor mit den Opfern beschäftigt, ist für das Anliegen aller Benachteiligten hoch sensibilisiert. Funktionäre des Mainstreaming wenden gerne das Opfer-Täter-Schema an und nutzen es politisch äußerst wirksam: Alle, die sich in der „heterosexuellen Matrix“ nicht wiederfinden, sprich die asexuell, trans-, bi-, inter-, und homosexuell lebenden Menschen, befinden sich demnach im Opferstatus. Das GenderkompetenzZentrum mahnt deswegen an, „Menschen ihr Leben so leben zu lassen, wie sie es wollen – also möglichst unabhängig von ihrer Einordnung als Mädchen oder Junge“. Das bedeutet unter anderem „juristisch darauf zu achten, dass das Geschlecht eines Menschen deren Leben nicht entscheidend prägen darf“.
Was dieses allgemein formulierte Anliegen konkret bedeutet, veranschaulichen anhaltende Diskussionen rund um das Transsexuellengesetz. Schon im Dezember 2000 hatte das Innenministerium der Bundesrepublik von mehreren Sexualwissenschaftlern eine Stellungnahme zur Frage der Revision des Transsexuellengesetzes erbeten. Die Wissenschaftler hatten vorgeschlagen, im neuen Gesetz solle es für eine Änderung des juristischen Geschlechts nicht mehr nötig sein, sich zuvor einer geschlechtsumwandelnden Operation zu unterziehen. Eine Änderung von Vornamen und Personenstand in amtlichen Dokumenten (z.B. bei einem Mann „weiblich“ im Pass, statt zuvor „männlich“) solle wesentlich einfacher und flexibler erfolgen können. Die subjektive Empfindung, dass die ‚erlebte Geschlechtszugehörigkeit’ nicht mit dem biologischen Geschlecht übereinstimme, solle als Voraussetzung für eine Personenstands- und Vornamensänderung ausreichen.
Die Angst, ein Täter zu sein
In der Szenerie der Gender-Debatten gibt es neben Opfer und Befreier – auch Täter, und das ist „die Mehrheit“. Glaubt man den schwul-lesbischen Lobbygruppen und Medienberichten, dann werden Homo-, Bi- und Transsexuelle täglich in allen Instanzen diskriminiert, z. B. durch die Unterscheidung der Ehe zwischen Mann und Frau und homosexuellen Partnerschaften. So stilisieren Interessenverbände diese Minderheit zu „Opfern der zweigeschlechtlichen Matrix“ und die Gesellschaft zum Täter. Mit Erfolg, denn in den letzten Jahren gab es manche radikale und folgenreiche Gesetzesänderung: Lebenspartnerschaftsgesetz, Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare und die Berücksichtigung der „sexuellen Orientierung“ im kürzlich verabschiedeten „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz“ (früher Antidiskriminierungsgesetz).
Das Übel hat nun einen Namen: Homophobie. Homophobie basiert laut Definition auf einer „irrationale[n] Furcht vor und Abneigung gegen Homosexualität und Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle“4. Homophob ist jeder, der der Verbindung zwischen Mann und Frau einen Vorrang einräumt; der sich kritisch mit den Erscheinungsformen und Gründen homoerotischer Neigungen auseinandersetzt und zu eigenen Schlüssen kommt; der seine eigenen homosexuellen Empfindungen als störend empfindet und eine Veränderung sucht, und natürlich auch, wer therapeutische Alternativen zur Homosexualität anbietet. Homophobie ist laut einer EU-Resolution vom 18.01.2006 „ähnlich wie Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus oder Sexismus“ einzustufen. Grund genug für Politiker, sich zum Thema Homosexualität in der Öffentlichkeit nicht mehr von diesen Vorgaben abweichend zu äußern.
Gender Mainstreaming als Realität
Opferfokussierte Denk- und Handlungsmuster – so eine weitere Feststellung Girards – bilden ein geschlossenes System, in dem keine Maßnahme und keine Erfolge ausreichen. Deshalb muss ständig eine Gegenmaßnahme auf die andere folgen. Dieser Mechanismus ist auch hier zu beobachten: je größer die Bemühung um Abbau von Diskriminierungen, um so stärker das subjektive Gefühl, in der Schuld der Opfer zu stehen – und desto mehr Lebensbereiche müssen in das Opfer-Täter-Schema einsortiert werden.
Gender Mainstreaming ist bereits Realität. Mit diesem Begriff hat man ein Raster geschaffen, an dem sich unsere Toleranz und Offenheit messen lassen muss. Die Maßstäbe dafür kommen jedoch nicht aus dem Lebensalltag der Bevölkerung, sondern sind aus Theorien abgeleitet und von der ideologisch ausgerichteten Homosexuellenbewegung durchgesetzt worden.
Unfrieden zwischen Geschlechtern und Generationen
Laut Gender-Mainstreaming darf nur noch gefragt werden: „Wie werden wir zu Männern bzw. Frauen gemacht?“ Vor diesem Horizont bedeutet Freiheit, sich der Zwänge von festlegenden und festgelegten Identität zu entledigen.
Aber wer schützt unsere Freiheit, Identität zu wahren, zu festigen und in ihr zu reifen?
Während die Gender-Mainstreamer an Schulbüchern tüfteln, boomt der Markt von Büchern über Weiblichkeit und Männlichkeit. Die Angebote reichen von hübsch verpackten Alltagsweisheiten über fundierte Fachliteratur bis zu religiösen Ratgebern für den Laien. Seminare mit Titeln wie „Mich selber finden“, „Meine Männlichkeit entdecken“, „Die Frau in mir“ sind ausgebucht. Das Aufsprengen der Rollen und Zwänge hat nicht nur zur Freiheit geführt, sondern durch die entstandene Beliebigkeit neue Zwänge hervorgebracht: vor allem den Zwang, sich immer wieder neu erfinden zu müssen. Die mühselige Suche nach Identität bildet das Gegenstück zur gesetzlich verordneten Erkenntnis, dass es eine solche nicht gibt.
Die allgemeine Unzufriedenheit in Partnerschaften verhält sich umgekehrt proportional zum Zuwachs an angeblichen Freiheiten. Nein: Für das Problem des Unbehagens der Geschlechter und des zwischen ihnen herrschenden Unfriedens bietet die Gender-Perspektive keine Lösung. Mit ihrem Beharren auf Beliebigkeit und Austauschbarkeit scheint sich die Kluft vielmehr zu vertiefen.
Auch das Unbehagen der nächsten Generation ist vorprogrammiert, wenn die Gender-Perspektive uns weismachen möchte, dass in der Erziehung die Rollen von Vater und Mutter austauschbar oder entbehrlich sind. Zahlreiche psychologische Untersuchungen zeigen das Gegenteil: Kinder benötigen für eine ausgewogene Identitätsbildung Vater und Mutter, die sie in ihrem Rollenverhalten spiegeln, bestätigen und auch herausfordern. So wird das Ausprobieren und Einüben von individuell angemessenen, lebbaren Rollen überhaupt erst möglich.
Wesentliche Personwürde
Für Christen ist die Gewissheit, von Gott nach seinem Ebenbild erschaffen und mit der Gabe zu lebendiger, fruchtbarer Beziehung ausgestattet zu sein, das Fundament, auf dem sich die geschlechtliche Identität eines Menschen entfalten kann. Als Männer und Frauen sind wir Menschen dazu berufen, in Ergänzung und gegenseitiger Hilfestellung zur Einigkeit zu gelangen und dadurch Neues, auch neues Leben, in die Welt zu setzen. Die geschlechtliche Polarität ist nach biblischer Auffassung von Beginn an Wesenszug unserer Menschlichkeit. Dieses Wesentliche geht der Identitätsentwicklung des einzelnen voraus. Es ist in Gottes Plan gelegen und muss nicht als Konstrukt erfunden werden. Es wird sich auch nicht durch das blinde Spiel von zufälligen Einwirkungen auf den Einzelnen „bilden“. Was sich um diesen Wesenskern herum bilden soll, ist eine Identität, die unsere Gottebenbildlichkeit immer stärker sichtbar und erfahrbar werden lässt. Wo immer wir diese zu entfaltende Identität verdunkeln, verdunkeln wir Gottes Ebenbild in uns. Wann und wo immer wir aber der versöhnten Befriedung in Gott Raum lassen, kann Identität erstarken und reifen.
Am nachhaltigsten wird unsere Identität durch die Menschen geprägt, mit denen wir unser Zuhause teilen. Stabile Bindungen sind die wichtigste Voraussetzung für werdende Identität. Nach biblischem Verständnis ist die Familie jene von Gott gestiftete kleinste Zelle menschlicher Gemeinschaft, die die Entstehung solcher Bindungen in besonderer Weise fördert. Ein befriedeter und geschützter Ort kann sie aber nur sein, wenn in ihr Mann und Frau – einander ebenbürtig und zugleich voneinander unterschieden – zur Einheit gelangen und „ein Leib werden“. Der Friedensschluss zwischen den Geschlechtern ist Voraussetzung für den Frieden zwischen den Generationen: zwischen Eltern und Kindern. Und weil jedes Kind „Vater und Mutter verlassen wird“, um sich neu zu binden, wird jede Generation sich neu damit auseinandersetzen, was es mit Frausein und Mannsein auf sich hat – jenseits von vorgeprägten Rollenverteilungen und Klischees.
In einer Gesellschaft, die unter dem Sammelbegriff „Familie“ inzwischen jegliche häusliche Umgebung zusammenfasst, „in der Kinder sind“, ist es von vitalem Interesse, das Modell Familie im Sinne der jüdisch-christlichen Tradition wieder ins öffentliche Bewusstsein zu tragen und an die darin enthaltenen kulturbildenden Werte zu erinnern.5 Darum brauchen Ehe und Familie heute wieder eine Lobby!
1 http://www.genderkompetenz.info
2 Quelle: Remafedi, Gary et al.: Demography of Sexual Orientation in Adolescents. Pediatrics Vol. 89, No. 4, 1992, 714-721
3 Girard, René, Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Eine kritische Apologie des Christentums, München Wien 2002
5 siehe „Kinder sind klasse“ unter http://www.dijg.de
In: Salzkorn. Klarer – schärfer – lebendiger. September-Oktober 5/2206 Haargenau als Mann und Frau.
Wie die Gender-Perspektive versucht, die Geschlechterpolarität umzubürsten. S. 200-205
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