1979 – Der Sommer
der Nouvelle Droite
Xavier Jardin, ein französischer Politologe, der sich besonders mit Geschichte und Gegenwart der Rechten seines Landes beschäftigt, hat unlängst in einem Interview mit Le Monde die These aufgestellt, daß alles,
was man als »neue Rechte« bezeichne, im Grunde eine Reaktion auf den
»Mai ’68« sei. Diese verbreitete Auffassung erklärt sich vor allem aus dem
Bedürfnis der Gesellschaftswissenschaften nach systematischen Erklärungen und einfachen Ableitungen. Dabei zeigt eine genauere Untersuchung der
historischen Zusammenhänge, daß die Entwicklung komplizierter war und
jedenfalls nicht einem simplen Ursache-Wirkung-Schema folgte.
Der »rote Mai« stand am Ende einer etwa zehn Jahre dauernden, turbulenten, manchmal an den Rand des Bürgerkriegs führenden Entwicklung. Begonnen hatte alles mit der Algerienkrise und dem Kollaps der Vierten Republik, und der Amtsantritt de Gaulles hatte sowenig wie die Gründung der Fünften Republik zu einer tatsächlichen Beruhigung der Lage geführt. Neben einer radikalen Linken, die seit »Befreiung« und »Säuberung«
eine sehr starke Position besaß, entstand eine radikale antigaullistische oder
»nationalistische« Fraktion, deren Anhänger zum Teil zu den Verlierern von
1945, vor allem aber zu denjenigen gehörten, die sich nicht mit dem Verlust
des empire abfinden wollten. Damals bildete sich im Milieu der französischen Gymnasiasten und Studenten eine »Szene« aus, die Verbindung zu
diesem Flügel der Rechten hatte, aber eigene organisatorische Ansätze ausbildete. Die waren oft kurzlebig und jedenfalls instabil, führten aber doch
zur Entstehung von zwei deutlicher getrennten Strömungen: die »Ideologen« um die Zeitschrift Cahiers Universitaires, dann Europe Action und
die »Militanten« des Mouvement Occident. Letztere zeigte eine auffällige
Neigung zur »direkten Aktion«, und im Quartier Latin kam es ab 1964/65
regelmäßig zu Scharmützeln zwischen »Kommandos« von Occident auf der
Ein Gespräch mit Alain de Benoist
Einleitung von Karlheinz Weißmann
Grundlagen | Sezession 31 · August 20099
einen, Anhängern der KP oder kleinerer trotzkistischer Gruppen auf der anderen Seite. Die zunehmende Radikalisierung hatte schließlich das Verbot
der Gruppierung am 1. November 1968 zur Folge.
Was den Mouvement Occident von der Gruppe um Europe Action
vor allem unterschied, war das theoretische Desinteresse auf der einen,
das theoretische Interesse auf der anderen Seite. Schon die Gründung der
Zeitschrift durch Dominique Venner und dann die Mitarbeit Alain de Benoists waren ein Signal für die Distanz gegenüber dem landläufigen Nationalismus: Man war für Europa und gegen den französischen Etatismus, für Griechenland und die alten Götter und gegen die abendländische
und die katholische Tradition. Zwar hielt der Kreis um Europe Action
anfangs an der Vorstellung fest, Theorie und Praxis zu verknüpfen, aber
nach dem Scheitern der Präsidentschaftskampagne für den Rechtspopulisten Tixier-Vignancour, 1965, vollzog Benoist den letzten Schritt weg von
den alten Loyalitäten. Nach der Einstellung von Europe Action und der
Trennung von Venner gründete er mit einer kleinen Gruppe von Gesinnungsgenossen die Zeitschrift Nouvelle Ecole, deren Titel schon die Ausrichtung andeutete: eine »neue Schule« im Sinne einer Denkgemeinschaft,
die sich ausdrücklich an den Prinzipien kritischer Rationalität ausrichten
sollte, um eine moderne rechte Weltanschauung zu begründen. Benoist
hat im Rückblick darauf hingewiesen, daß er damals eine »positivistische
Phase« durchlaufen habe, die Rede der klassischen Rechten von den »ewigen Gesetzen«, auf die man letztlich vertrauen dürfe, für anachronistisch
hielt und versuchen wollte, zu einem »Nullpunkt« zurückzukehren, um
die viertausendjährige europäische Überlieferung aufzunehmen, ohne einem der verbreiteten ideologischen Vorurteile zu folgen.
Es ist hier nicht der Ort, der weiteren Entwicklung nachzugehen, die
vor allem im Januar 1969 zur Bildung des GRECE als organisatorischem
Kern führte. Entscheidend ist allerdings, daß die Zielsetzung immer eine
konsequent metapolitische blieb, was zwangsläufig zu wachsender Distanz
gegenüber der »Alten Rechten« führte, die Benoist denn auch bis heute als
»sogenannten Rechten« apostrophiert. Dahinter stand die Überzeugung,
daß man der Linken und dem Liberalismus nur begegnen konnte, indem
man sie auf ihrem eigenen Feld – der Kultur – bekämpfte und besiegte.
Zehn Jahre schien dieser Weg bemerkenswert erfolgreich, dann kam der
»Sommer der Nouvelle Droite«.
Den Sommer 1979 hat das französische Magazin Le Nouvel Observateur
den »Sommer der Nouvelle Droite«
genannt. Könnten Sie kurz erklären,
wie es dazu kam?
de Benoist: Mit Artikeln im Wochenblatt Le Nouvel Observateur (»Die
neuen Kleider der Nouvelle Droite«)
und in der Tageszeitung Le Monde
(»Die Nouvelle Droite nimmt den Betrieb auf«) begann im Juni 1979 eine
konzertierte Kampagne. Sie griff bald
um sich wie ein Lauffeuer. Den ganzen Sommer lang erschienen ständig
neue Artikel, insgesamt mehr als tausend. Dann folgten Aufsätze, Bücher,
Radio- und Fernsehsendungen und
so weiter. Aus dieser Zeit stammt die
Gewohnheit, mit dem Begriff »Nouvelle Droite« eine Denkschule zu bezeichnen, die bereits seit elf Jahren existierte und zuvor niemals auf den Gedanken gekommen wäre, sich selber
so zu nennen.
Die Entstehung dieser Denkschule läßt sich auf Februar 1968 datieren,
als – einige Monate vor den Ereignissen im Mai – die erste Ausgabe der
Zeitschrift Nouvelle Ecole erschien. Ein Jahr danach wurde der Verband
GRECE gegründet (Groupement de recherche et d’études pour la civilisaGespräch – de Benoist
Alain de Benoist im
Interview mit dem
Spiegel, 1979.10
tion européenne), dem sich eine Anzahl von Sympathisanten und Lesern
anschloß, zumeist Studenten. 1972 erfolgte dann die Gründung der Zeitschrift Eléments, zunächst als internes Verbandsorgan für GRECE-Mitglieder. Daraus wurde aber bald ein Magazin unabhängigen Denkens,
das im Kioskverkauf erhältlich war und sich an eine sehr viel breitere Leserschaft wandte als die Nouvelle Ecole. Es fanden zahlreiche Tagungen,
Treffen und Vorträge statt, die vornehmlich von
den Regional- und Zentralsektionen des GRECE
organisiert wurden. Zusätzlich zu den Zeitschriften entstand ein Verlag, so daß zahlreiche
Bücher veröffentlicht werden konnten. Ich selber knüpfte Freundschaften mit vielen Akademikern, Philosophen, Intellektuellen, darunter
Thierry Maulnier, Arthur Koestler, Louis Rougier, Georges Dumézil, um nur einige zu nennen. Die »Nouvelle Droite« war 1979 also nicht
wirklich neu, aber durch die damalige Kampagne wurde sie auch denjenigen ein Begriff, die
zuvor noch nie etwas von ihr gehört hatten.
Es war ein kurzer Sommer, und die Nouvelle
Droite wurde zum Opfer einer nicht nur französischen, sondern europäischen Pressekampagne. Vielleicht handelt es sich überhaupt um das
erste Beispiel für ein so koordiniertes Vorgehen
gegen eine mißliebige Ideenströmung. Was war
die Ursache dieser Vehemenz, Ihrer Meinung
nach?
de Benoist: Diese Frage ist heute immer noch
schwierig zu beantworten. Das vorrangige Ziel
bestand zweifelsohne darin, das weitere Vordringen unseres Gedankengutes zu behindern.
Solange die »Nouvelle Droite« mit intellektuellen Zeitschriften, deren Auflage bei ein paar
tausend Exemplaren lag, nur ein begrenztes Publikum erreichte, war niemand beunruhigt. Jedoch hatten einige ihrer
Vertreter, darunter auch ich, uns sehr früh dem Journalismus zugewandt
und begonnen, Schlüsselpositionen bei »großen« Zeitungen zu besetzen.
Ich selber war seit 1970 regelmäßiger Mitarbeiter der Wochenzeitung
Valeurs actuelles, die seinerzeit von Raymond Bourgine geleitet wurde.
Richtig ins Rollen kam die Sache, als Louis Pauwels, ein sehr bekannter Schriftsteller und Journalist, der mir bereits Ende der sechziger Jahre
seine aktive Unterstützung bekundet hatte, eine Wochenendbeilage zur
Tageszeitung Le Figaro ins Leben rief. Aus dieser Beilage, die unter dem
Titel »Figaro-Dimanche« erstmals im Oktober 1977 erschien, wurde im
Mai 1978 ein richtiges, sehr üppig aufgemachtes Magazin namens Le Figaro-Magazine. Pauwels hatte die Verantwortung für die inhaltliche Gestaltung dieses Magazins größtenteils Mitgliedern der Nouvelle Droite
anvertraut, die es natürlich als Plattform zur Verbreitung der eigenen
Standpunkte benutzten. Noch im selben Jahr wurde mein Buch Vu de
droite mit dem Großen Essaypreis der Académie française ausgezeichnet.
Le Figaro-Magazine, das damals sehr gut gemacht war, erreichte dank
des Talents der beteiligten Journalisten schnell eine Auflage von fast einer Million. Erstmals in der französischen Geschichte verfügte eine nonkonforme Denkschule über derartige Mittel, ihr Ideengut öffentlich zu
machen. Aus Sicht ihrer Gegner ergab sich daraus die Notwendigkeit, sie
möglichst zum Schweigen zu bringen.
Zweifellos ist dies nicht der einzige Faktor. Manche der Angriffe gegen
Louis Pauwels wegen seiner Verbindungen zur Nouvelle Droite richteten sich vermutlich indirekt auch gegen den Figaro-Inhaber Robert
Hersant, dem vorgeworfen wurde, ein regelrechtes Presse-Imperium
geschaffen zu haben (man nannte ihn den »papivore«, den Papierfresser), aber auch gegen den damaligen Staatspräsidenten Valéry Giscard
d’Estaing, für den Pauwels gewisse freundschaftliche Gefühle hegte –
nicht zufällig war er auf dem Titelblatt der ersten Ausgabe von Le Figaro-Magazine abgebildet.
Gespräch – de Benoist
Plakat des GRECE, Ende
der 1970er Jahre.11
Wie schätzen Sie heute, im Rückblick, den Vorstoß zwischen 1968 und
1979 ein?
de Benoist: Von 1968 bis 1979 entwickelte die Nouvelle Droite sich ziemlich regelmäßig, nach einem sozusagen methodischen Schema. Die Kampagne von 1979 hat ihr zweifellos schwer zugesetzt. Persönlich habe ich
viel daraus gelernt: Damals habe ich zum ersten Mal gewissermaßen von
innen die Entwicklung einer derart breit angelegten Pressekampagne miterlebt. Das Interessante ist, daß der Nouvelle Droite seitens ihrer Gegner
hauptsächlich ihr »Denken« vorgeworfen wurde, also ihre Eigenschaft
als intellektuelle und kulturelle Bewegung. Damals ging man allgemein
davon aus, daß die Rechte aus der Perspektive der Theorie nicht mehr
relevant sei: »Linksintellektueller« galt als Pleonasmus, »Rechtsintellektueller« als Oxymoron. So veröffentlichten Mona Ozouf und Jean-Paul
Enthoven beispielsweise am 2. Juli 1979 in Le Nouvel Observateur einen
Artikel zur Nouvelle Doite unter dem Titel »Wenn die Rechte denkt …«
Wenn es allerdings darum ging, die Inhalte dieses Denkens zu benennen,
wurden selbstverständlich die wildesten Hypothesen in die Welt gesetzt.
Man sollte sich hier aber vor anachronistischen Vergleichen hüten. Von
einigen Randerscheinungen abgesehen handelte es sich bei der Kampagne
gegen die Nouvelle Droite im Sommer 1979 nicht um einen Ausdruck des
»Antifaschismus« in jenem Wortsinn, wie er heute in Deutschland gebräuchlich ist. (Zumal damals der Front National längst noch nicht die
politische Bedeutung hatte, die ihm später zukam.) Hätte es sich so verhalten, hätte man zweifellos einen anderen Namen als »Nouvelle Droite«
gewählt. Denn dieser Begriff ist eher neutral und hat an sich nichts Diffamierendes. Er mißfiel uns aber, weil er einen allzu deutlichen politischen
Beiklang hatte, der mir unangemessen erschien zur Bezeichnung einer
Denkströmung, die sich niemals als tages- oder parteipolitischer Akteur
verstehen wollte. Aber die Presse hätte sich eindeutig Schlimmeres einfallen lassen können. Mehrfache Versuche unsererseits, die Alternative
»Nouvelle Culture« zu etablieren – auch dies ein recht mißverständliches
Etikett –, blieben ohne großen Erfolg. Persönlich habe ich mich bemüht,
dem ersten Wort (»Nouvelle«) stärkeres Gewicht zu verleihen als dem
zweiten (»Droite«). Uns ging es nämlich darum, uns in aller Deutlichkeit
von der »alten Rechten« zu distanzieren. Aber selbstverständlich gab es
seit der Entstehung des Begriffs mancherlei Bemühungen zu beweisen,
daß die »Nouvelle Droite« nicht neu sei (»Neue Rechte oder alles beim
alten?« fragte René Rémond in einem Artikel, der am 20. Juli 1979 in Le
Monde erschien) – oder aber, daß sie nicht rechts ist!
Welche Folgen hatte konkret die Verdrängung aus der bürgerlichen Presse
und der Öffentlichkeit?
de Benoist: Zunächst muß man die Frage nach dem Erfolg oder Mißerfolg
der Kampagne von 1979 stellen. Die Antwort fällt zwangsläufig zwiespältig aus. Einerseits hat diese Kampagne der Nouvelle Droite eine außerordentliche Bekanntheit verschafft. Wenn man im heutigen Zeitalter etwas oder jemanden ins Gerede bringt – und sei es auch, daß man noch so
schlecht über ihn redet –, verschafft man ihm damit eine öffentliche Wirkung, die ihm unweigerlich zunutze kommt. Tödlich ist im Grunde nur
das Schweigen (daher das deutsche Verb »totschweigen«, für das es leider
im Französischen keine genaue Entsprechung gibt). Dank jener Kampagne wurde ich in zahlreiche Fernsehsendungen eingeladen, meine Bücher
konnten bei größeren Verlagen erscheinen, ich arbeitete etwa zehn Jahre
lang bei France-Culture mit, dem wichtigsten Kultursender im öffentlichrechtlichen Radio. Andererseits hatte die Kampagne eine recht unerwartete und unerwünschte negative Wirkung. Sie brachte der Nouvelle Droite
den Zulauf einer ganzen Reihe von Menschen, die dort nichts zu suchen
hatten, entweder weil sie ihre Ideen nicht wirklich teilten oder weil sie sich
ein falsches Bild von ihren Absichten machten. Um zu ihrem eigentlichen,
natürlichen Publikum zurückzufinden, mußte die Nouvelle Droite eine Selektion in ihren eigenen Reihen vornehmen.
Ab 1981 sorgten Louis Pauwels’ jähe Bekehrung zum Liberalismus (und
zum Christentum) und der immer stärker werdende Druck, den die Werbeagenturen auf Robert Hersant ausübten, dafür, daß die Journalisten
der Nouvelle Droite der Reihe nach beim Figaro-Magazine ausschieden.
Zweifellos hätten wir dies vermeiden können, indem wir unsere StandGespräch – de Benoist12
punkte abgemildert hätten, aber genau dies weigerte ich mich zu tun. Also
hat die Nouvelle Droite ihren Kurs weiterverfolgt und sich wieder auf ihre
eigenen Aktivitäten konzentriert, insbesondere auf ihre eigenen Veröffentlichungen. Zugleich hat sie dabei die zahlreichen Beziehungen intensiviert,
die man bereits auf europäischer Ebene geknüpft hatte, vor allem in Italien, Spanien, Deutschland, Flandern und anderswo.
Gab es so etwas wie langfristige Erfolge im
»Kulturkrieg«?
de Benoist: Auch hier kann die Antwort nur
zwiespältig ausfallen. Sicherlich ist es uns nicht
gelungen, den Lauf der Dinge oder die Entwicklung der Welt zu ändern, ja nicht einmal die
bedeutenden Entscheidungsträger unserer Zeit
dauerhaft zu beeinflussen! Dafür glaube ich behaupten zu können, daß die theoretischen Auseinandersetzungen, die wir angestoßen haben,
eine Menge zum Kampf um die Ideen beigetragen haben – und auch weiterhin beitragen –, der
sowohl in Frankreich wie im Ausland geführt
wird: um die deutsche Konservative Revolution
(die den Franzosen vor allem dank der Nouvelle Droite überhaupt ein Begriff ist), um den
Themenkomplex Identität und Verwurzelung,
um geopolitische Überlegungen, um Regionalismus und europäischen Föderalismus, um USkritische Positionierungen, um eine Absage an
marktwirtschaftliche Werte, Utilitarismus und
als axiomatisch gesetzten Eigennutz und so weiter. Man müßte all dies aber natürlich im einzelnen untersuchen.
Sie lehnen den Begriff »Neue Rechte« als Selbstbezeichnung heute ab. Wenn es dabei nicht nur
um ein Spiel mit Worten geht: In welcher Hinsicht haben Sie Ihre Positionen seit 1979 so geändert, daß sie nicht mehr »rechts« sind?
de Benoist: Dabei handelt es sich keineswegs um ein Spiel mit Worten,
sondern vielmehr um die Weigerung, Worte zu benutzen, die ausgedient
und kaum noch etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben. Die Unterscheidung zwischen Links und Rechts ist mit der Moderne aufgekommen, im
postmodernen Zeitalter spielt sie keine Rolle mehr. Im Laufe der vergangenen zweihundert Jahre hat sie dazu gedient, Anordnungen oder Polarisierungen des öffentlichen Raums zu beschreiben, die heute jegliche Relevanz verloren haben. Anders ausgedrückt, gab es historisch allzu viele
verschiedene Formen der Rechten wie der Linken, als daß man sich heute
als »rechts« oder »links« bezeichnen könnte, ohne sich Mißverständnissen auszusetzen. Wer sich »rechts« nennt, kann heute Demokrat oder Antidemokrat sein, Atlantiker oder Anti-Amerikaner, überzeugter Europäer
oder Anti-Europäer, Liberaler oder Antiliberaler, für oder gegen den Kapitalismus, Revolutionär oder Konterrevolutionär, Universalist oder Feind
jedes politischen Universalismus und so weiter.
Überdies muß man sich des historischen Moments bewußt sein, in dem
man lebt. Sich 1968 als »rechts« zu bezeichnen, hieß zuvorderst gegen die
intellektuelle Hegemonie der extremen Linken zu protestieren, die damals
besonders stark ausgeprägt war. Heutzutage haben wir vor allem eine liberale Hegemonie, was die Lage nicht verbessert hat. Stärker noch als die
»linken« sind es »rechte« Regierungen, die die Globalisierung, die Abschaffung von Grenzen, die Vernichtung von Volkskulturen und angestammten
Lebensweisen, die Beherrschung der Welt durch die Logik des Kapitals
und die Macht des Geldes vorantreiben. Je liberaler die Rechte wird, desto
mehr stimme ich mit dem kritischen Denken der Linken überein. Das hindert mich nicht daran, den meisten der Grundsätze zuzustimmen, die Karlheinz Weißmann in seinem Konservativen Minimum aufführt. Aber dazu
brauche ich nicht unter einem politischen Banner zu kämpfen. Konkrete
Inhalte interessieren mich mehr als abstrakte Behältnisse.

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