… Den ungläubigen Denker auf der Rechten hat es allerdings auch schon immer gegeben. Was ist die programmatische Vision auf der Rechten? Ein Staat und eine Gesellschaft der Vielfalt (und nicht der Einförmigkeit und Einfalt). Denn Staat und Gesellschaft setzen sich aus einmaligen Personen – dramatis personae – mit unübertragbaren Schicksalen und nicht aus Ziffern zusammen. Zudem steht das „Rechte“ (in jedem Sinne des Wortes) für das christlich-freiheitlich-traditionsanknüpfende Programm, wobei das freiheitliche Element schon im christlichen enthalten ist, denn „zur Freiheit hat uns Christus befreit“ (Gal. V, 1). Es mag nun eingeworfen werden, daß die Reformation mit ihrem mehr (Calvin) oder weniger (Luther) starken Prädestinationsglauben die christliche Freiheit in Frage stellte, doch hatte bei uns der religiöse Determinismus keine lähmenden Auswirkungen, und es blieb stets dabei, daß jedermann seines eigenen Glückes Schmied sei. (Das Sprichwort, daß Gott jenem hilft, der sich selbst hilft, hat allerdings keinen wohlfahrtsstaatlichen Klang.) Und was das Anknüpfen an die Tradition betrifft, die natürlich keinen statischen Charakter haben darf, so steht es fest, daß Christus keineswegs, wie es wildgewordene Spießer auf theologischen Lehrstühlen gerne haben möchten, ein Revolutionär war. Er war gekommen, um als göttliche Person die Worte der Propheten zu erfüllen, als Sohn Gottes, der „von allem Anfang“ da war. Das erwählte Volk? Die Christen! Das Neue Jerusalem? Die Christenheit! Die sehende Nachfolgerin der blinden Synagoge? Die Kirche! Das Alte Testament? Die Vorgeschichte!

Alle Gläubigen oder Ungläubigen auf der Rechten, ob sie sich dessen bewußt sind oder nicht, ob sie es wollen oder nicht, sind Träger einer Kultur, die ihre Wurzeln tief im Boden der christlich-hellenischen Synthese besitzt. Sie haben den christlichen Ethos und eine ganze Reihe von christlichen Grundbegriffen sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen. Wenn einer von uns – wir reden nicht von „Afro-Asiaten“ – mit der christlichen Vergangenheit seelisch und geistig radikal brechen will, dann muß er sich einem heidnischen Existentialismus à la Sartre zuwenden, der zu unserer großen Überlieferung wahrscheinlich die einzige vom Verstande her zu respektierende Alternative darstellt. (Kommunismus? Paläoliberalismus? Bakuninscher Anarchismus? Comtescher Positivismus? Alles nur sechstrangige, säkulare, auf dem christlichen Mist gewachsene Häresien!) Da gilt das Wort der heiligen Teresa von Ávila: „Dios o Nada – Gott oder das Nichts!“ …

(Erik Ritter von Kuehnelt-Leddihn)

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