Das Manifest der Vielen oder Der Patrick-Bahners-Typus (2)

Der Verlag stellt sein Buch so vor:

Um sich nicht abzuschaffen, muss Deutschland sich neu erfinden. Dreißig profilierte Autorinnen und Autoren schreiben über ihr Leben in Deutschland, über Heimat und Identität, über ihr Muslim- oder Nicht Muslim-Sein anlässlich der Sarrazin-Debatte. Begriffe wie Migrant, Moslem, Deutscher, Fremder lösen sich dabei immer mehr auf, in den Vordergrund treten kritische Analysen und persönliche Geschichten. Ergebnis ist eine Vielfalt der Stimmen für »das Eigenrecht gelebten Lebens« (Hilal Sezgin).

Die Argumentation ist liberal, denn sie besteht darin, zu behaupten, daß es nur Individuen, nur „Menschen“ in einer „Gesellschaft“ gäbe und alle Pauschalisierungen und Identifikationen beliebig machbar und daher auch dekonstruierbar seien. „Deutsche“, „Türken“, „Muslime“, „Fremde“… das gibt es doch eigentlich nicht, das wird nur „gemacht“. Diese Strategie der Brausetablette funktioniert freilich nur auf dem Papier; sie ist letztlich nichts anderes als Bestandteil eines mit „Double-binds“ gespickten Psychokriegs, mit dem dem Gegenüber der Boden unter den Füßen weggezogen werden soll, während er durch die Hintertür unter den eigenen Füßen zementiert wird. Duch diese kommen dann auch die Gruppeninteressen plötzlich wieder ins Spiel. Das muß nicht einmal eine bewußte Strategie, eine Form von Taqqiya sein, um zu funktionieren. Es ist „politische Mimikry“, nicht, weil sie ihre politischen Ziele verhehle, sondern, weil sie sie in eine den Umständen angepaßte Sprache zu verpacken versteht.

Nicht alle sind so offen und so aggressiv wie Feridun Zaimoglu, der den Reigen mit einem Beitrag eröffnet, der den Titel „Es tobt in Deutschland ein Kulturkampf“ trägt. (Wie er sich selbst diesen vorstellt, kann man sich auf der Netzseite der von ihm mitbegründeten Initiative „Kanak Attak“ ansehen.) Wo er recht hat, hat er recht. In diesem „Kampf“ ist aus seiner Sicht aber selbstverständlich nur eine Seite gerechtfertigt und legitimiert durch den „Humanismus“. Der Feind, das sind hier die „Konservativen“, die „Schwarzen“, die „rechtskonservativen Krakeeler“, das „rechte Volk“, die „Volksnahen“, überhaupt alle, die viel vom „Volk“ reden.

Was sie vorbringen, wird dadurch erledigt, daß es gleichsam in Anführungsstriche gesetzt und für irreal erklärt wird. Die Konservativen hätten „die Lüge vom Rückzug der Türken aus der deutschen Gesellschaft“ verbreitet und „machten Stimmung gegen Parallellwelten, die es nicht gibt“. Dank ihrer Propaganda glauben die Deutschen allmählich die „Märchen“ von der „schleichenden Landnahme“, daß „das Boot voll sei“, daß „der Ausländer gefährlich fremd sei“, und so weiter.

Die Tirade gipfelt in der Anklage:

Unanständig ist es, die alten Einwanderer in den Hinterhofgebetsräumen als Anhänger eines fremden Glaubens zu beleidigen, ohne je einen Moscheeraum von innen gesehen zu haben. Unanständig ist es, nur Haufen und Horden zu sehen, wo es doch Menschen sind, die dieses Land als ihr eigenes Land betrachten.

Dem entgegenzutreten, nennt Zaimoglu „Humanismus“ und „Linkssein“. Das ist wohlgemerkt der Appell an das „Linkssein“ von einem, der sich selbst als Anhänger der „Gegenaufklärung“ sieht, und Bekenntnisse von sich gibt wie:

Eren Güvercin: Herr Zaimoglu, noch eine persönliche Frage zum Schluss: Woher nehmen Sie eigentlich die Kraft für solch eine große Lesetour, wo Sie fast jeden Tag in einer anderen Stadt auftreten, und nebenbei noch zahlreiche Termine mit Verlag und Presse haben?

Feridun Zaimoglu: Die einzige Allmacht, die Kraft spendet und entzieht, ist Allah, der Erhabene. Wenn Er will, werde ich weitermachen. Gelobt sei seine Einheit.

Die ganze Rede ist ein Musterbeispiel dafür, wie einer gleichzeitig behaupten kann, daß es einen Kulturkampf gibt und daß es ihn nicht gibt. Und dafür, wie der Begriff des „Humanismus“ als Gleitmittel benutzt wird, um ein sehr partikuläres Interesse durchflutschen zu lassen.

Im Kern diesselbe Nummer, nur in akademischer klingendem Lila, bringt die als Sarrazin-Kritikerin berüchtigt gewordene (und blamierte) Naika Foroutan, die an der Humboldt-Universität Berlin ein Kulturkampfprojekt mit dem programmatischen Titel „Hybride europäisch-muslimische Identitätsmodelle (HEYMAT)“ leitet. Ihr Beitrag „Gemeinsame Identität im pluralen Deutschland“ ist ein unfaßbarer Begriffskuddelmuddel, den vollzuständig aufzulösen mir an dieser Stelle die Geduld und der Platz fehlt.

Nur soviel: Das „eigentliche Tabu“ des Landes sei „ein tief sitzender Rassismus, der sich schleichend und stetig vom Rand der Gesellschaft in die Mitte hinbewegt, um dort für eine veritable Krise zu sorgen.“ Dieser äußere sich etwa darin, daß „das Fremde“ (Sperrung von Foroutan) als „Bedrohung“ wahrgenommen wäre, daß man vom „Fremden“ eine kulturelle Anpassungsleistung erwarte (!), ja daß überhaupt die Rede von „den Muslimen“ als kollektive Menschengruppe aufkomme. „Auf der emotionalen Ebene werden sie als Integrationsverweigerer und Abweichler von der Volksnorm inszeniert“ (Sperrung von mir).

Es wären die „Ressentiments“ in der „Bevölkerung“, die „aus Menschen Muslime machen, aus Nachbarn Verdächtige. Aus einer pluralen deutschen Gesellschaft eine entfremdete Nation aus echten Deutschen und Ausländern.“ Woher kommen nun aber diese ominösen „Ressentiments“ (von „Ängsten“ zu sprechen, hält sie für eine Flucht vor „dem wahren Kern der Debatte“), die man indessen „ernst nehmen müsse“? Foroutan ist wenigstens nicht so dumm, die Ursache allein bei einer seelisch anrüchigen Verfassung der deutschen „Rassisten“ zu suchen.

Das klingt dann so:

Es sind Ressentiments, Vorurteile, Unbehagen gegenüber Männern und Frauen, die zum Großteil jünger sind, manchmal lauter, anders aussehen, manchmal anders sprechen, ihre Rechte kennen, sie einfordern, ihr Recht auf Anderssein offen leben, statt sich assimiliert zu lassen (sic), nicht mehr unauffällig übersehen werden wollen, nicht am Rande agieren, in die Mitte der Gesellschaft drängen und die Mitte dadurch umformen.

Selbstbewußt und subversiv agierend, mit Textzeilen wie „Denn dies ist unser Deutschland/ euer Deutschland fuck it/dies hier ist das neue Deutschland“ dem Land den Spiegel vorhaltend, ihm tagtäglich bewußt machend, daß es sich wandelt…

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