Jean Raspail und die Fahne von Neukölln (1)
Ich habe Jean Raspails Artikel „Das Vaterland wird von der Republik verraten“ zum ersten Mal etwa 2005 gelesen. Er hatte eine erschütternde Wirkung auf mich, und sprach mit einer berückenden Klarheit aus, was mir selbst schon lange auf der Seele gelegen war. Besonders die Formel „Sie verwechseln das Vaterland mit der Republik“ trifft präzise die Lage und bietet auch den Schlüssel, um zu verstehen, was in Deutschland vor sich geht.
Hier müßte man sagen, „Sie verwechseln das Grundgesetz mit dem Vaterland“, und das Grundgesetz wiederum mit dem „überspitzten utopischen Humanismus“ der Menschenrechtsideologie. Das zweite starke Bild des Artikels ist das von den „Einsiedlerkrebsen“, die in naher Zukunft die verlassenen Gehäuse dieser ausgestorbenen Spezies namens „Franzosen“ bewohnen werden.
Raspails Thesen finden zur Zeit tagtäglich Bestätigung für den, der offenen Auges auf das Tamtam um die Fußball-WM blickt. Mir wurde wegen eines polemischen Blogbeitrags zu dem Thema vorgeworfen, mal wieder den Spielverderber spielen zu wollen. Vielleicht hat Dieter Stein die Diskussion dort mitverfolgt, und daran gedacht, als er in seinem Leitartikel in der aktuellen JF schrieb: „Ich gebe zu, daß mich das intellektuelle Naserümpfen über die patriotische Begeisterung des Volkes abstößt.“
Die Sache, um die es hier geht, hat allerdings weder etwas mit „Naserümpfen“ noch mit Intellektualismus zu tun. Gerade für uns Konservative sollte es die vordringlichste Aufgabe sein, auch in solchen Lagen, in denen scheinbar alles endlich so läuft, wie wir es immer ersehnt haben, einen kühlen Kopf und die Beine auf dem Boden zu bewahren. Das bedeutet auch den Mut zum Unpopulären, und sich unempflindlich gegen den Vorwurf des „Spielverderbertums“ zu machen.
Niemandem soll das Vergnügen an der WM benommen sein, und selbstverständlich ist es zu begrüßen, wenn die Nation von großen Teilen des Volkes wieder positiv erlebt wird. Diese Gefühle und Erlebnisse sind ohne Frage unentbehrliche Grundlagen des Patriotismus, und schon die WM 2006 brachte einen deutlichen Sinneswandel mit sich. Die Frage ist nur, wie tragfest und verbindlich dergleichen Gefühlswallungen sind, wenn die Party erst vorbei ist, und etwa der Ernstfall eintritt, in dem Patriotismus wirklich gebraucht wird.
Was mich, wie gesagt, am Schwarz-Rot-Gold-Overkill der letzten Wochen am meisten frappiert, ist die bizarre Diskrepanz zwischen dem äußeren frenetischen Fahnengeschwenke und der faktischen inneren Desertation der Deutschen und ihrer führenden Eliten, die sich weiterhin politisch so verhalten, als hätten sie unsere Zukunft längst aufgegeben.
Was das „Volk“ betrifft, sofern es noch als solches ansprechbar ist, so benennt „desertieren“ hier die allgemein verbreitete lethargische „Nach-mir-die-Sintflut“-Attitüde, meint den mangelnden Wille, sich zu ehren, zu wehren und zu vermehren. Erst wenn nach dem etwaigen deutschen WM-Sieg die deutschen Geburtenraten in die Höhe schnellen, dann bin ich vielleicht bereit, all das Tamtam optimistischer zu sehen.
Genauer hinzusehen empfiehlt sich auch angesichts der Flaggen-Farce von Neukölln. Die größte Deutschlandfahne Berlins haben die arabischen Brüder Bassal an ihrem Laden angebracht, und daraufhin prompt Ärger mit Antifanten bekommen, die die Fahne wieder abgerissen haben. Was die Araber nicht entmutigen konnte: „Die deutsche Fahne hängt, und wir werden sie verteidigen”. Alle mal kurz gelacht über einen Schwank, wie er so nur in der Bundesrepublik stattfinden kann. Denken wir nicht darüber nach, wieso eigentlich weit und breit kein deutscher Ladenbesitzer eine solche Fahne aufgehängt hat, und wie es ihm ergehen würde, wenn er mit solchen Sprüchen käme.
Die besagten Araber jedenfalls können mit den Sympathien der meisten Deutschen rechnen, denn es ist ja so, daß diese sich, wenn sie nicht gerade Antifanten, sondern normale Menschen sind, in der Regel über integrierte Ausländer aufrichtig freuen, und als Prügelknaben der Welt wohl auch froh darüber sind, wenn ihre Fahne von den anderen zur Abwechslung mal geliebt wird und man mit ihnen zusammen über die Fußballsiege jubelt. (Man wird indessen wohl auch nicht daran zweifeln, daß diese Aktion dem Geschäft der Bassals nicht gerade geschadet hat.)
Was hier allerdings geschehen ist, ist eher ein Akt der Okkupation als der Integration, denn:
Die Flagge hänge dort „nicht wegen des Zweiten Weltkriegs, sondern wegen der deutschen Mannschaft: Weil die deutsche Mannschaft ja nicht mehr richtig deutsch ist; das ist ja Multikulti, wir gehören dazu”, erläuterte Bassal gegenüber der JF.
Damit liegt Bassal durchaus im Trend. Nicht nur Christian Wulff möchte eine „buntere Republik“, der ganze mediale Tenor läuft darauf hinaus, über die WM-Schiene den Patriotismus immer stärker in Richtung Multikulturalismus zu verschieben. Dies ist letztlich die mal ausgesprochene, mal unausgesprochene Generalklausel, unter der dieser überhaupt zugelassen wird.Vermutlich war bereits die auffällig ünerproportional „multikulturelle“ Zusammensetzung der Nationalmannschaft in diese Richtung motiviert. Auffälligstes Indiz ist der übertriebene Kult, der um Mesut Özil getrieben wird, der auch für die in die Deutschland lebenden Türken als Identifikationsanker dient. Davor dürfen die Konservativen vor lauter Schwarz-Rot-Gold-Taumel nicht die Augen verschließen.
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